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Die große Klais-Orgel im Bonner Münster

Erweiterung durch 70. Register

Wenn Markus Karas und Thiemo Dahmen an der großen Klais-Orgel alle Register ziehen, bringen sie mehr als 5000 Pfeifen zum Klingen: Die Organisten der Bonner Münsterbasilika werden mit ihrem Instrument nicht nur den musikalischen Anforderungen der kirchlichen Liturgie gerecht, sondern erfüllen auch höchste Konzertansprüche.

Wechselvolle Geschichte

Was seine Orgeln angeht, kann das Bonner Münster eine wechselvolle Geschichte vorweisen: Schon um das Jahr 1230 hallten die ersten Klänge durch die Kirche, die damit eine der ersten Orgelanlagen Deutschlands beherbergte – damals noch an der Ostwand im nördlichen Querschiff. Im 15. Jahrhundert zog die Orgel um ins Mittelschiff, wo sie wie ein Schwalbennest hoch über den Köpfen der Kirchgänger an der Wand montiert war. Im Jahr 1652 wurde im Westchor des Münsters eine neue Orgel errichtet – ein gewaltiges und für die damalige Zeit mit 1.200 Talern exorbitant teures Instrument, auf dem wohl auch der junge Beethoven Unterricht erhielt. Keine 150 Jahre später, 1794, fand eine neue, ursprünglich für die lettische Stadt Riga bestimmte und von den französischen Besatzern mit einem Exportverbot belegte Orgel ihren Platz im Münster. Auf diesem vom Poppelsdorfer Orgelbauer Peter Kemper erbauten Instrument wurde bis in die 1920er Jahre gespielt, bevor die Orgelbauwerkstatt Klais den Auftrag erhielt, eine neue große Münster-Orgel zu erbauen.

Stolze 109 Register sollte das Instrument erhalten, doch reichte das Geld zunächst nur für eine kleinere Anlage mit 30 Registern, die wiederum als Grundlage für eine große Orgel mit 70 Registern diente. Diese wurde noch im Krieg eingeweiht, aber keine fünf Jahre später durch eine Luftmine stark beschädigt. Aus den noch brauchbaren Teilen baute die Firma Klais bis 1948 eine Behelfsorgel, die bis 1961 ihren Dienst tat; dann schließlich zog die jetzige Orgel ins Bonner Münster ein, die am 12. November des gleichen Jahres eingeweiht wurde – eben jenes Opus 1208 mit 60 Registern und 4616 Pfeifen der Firma Klais, das später noch den charakteristischen Bildprospekt von Manfred Saul erhielt.

1982 erweitert und neu intoniert, besaß die große Klais-Orgel bis 2017 insgesamt 69 Register mit 5112 Pfeifen, verteilt auf 4 Manuale und Pedal. Zuletzt wurde das Instrument 2021/22 nach der Generalsanierung des Münsters grundgereinigt und intonatorisch optimiert. „Traumhafte klangliche und spieltechnische Möglichkeiten“ bieten sich damit nicht nur den Münsterorganisten; neben den liturgisch aktiven Orgelvirtuosen sind es insbesondere die Konzertsolisten aus aller Welt, die voll des Lobes für diese große Orgel sind. „Wie phantastisch das Instrument geeignet ist, alle Stilepochen klanglich mustergültig wiederzugeben, wird auch an den neun von uns eingespielten CDs mit diesem Instrument deutlich“, schwärmt Markus Karas. „Ob Barockmusik, Romantik oder deutsche wie französische Musik aus dem 20. Jahrhundert: die charakteristischen Register stehen nicht nur zur Verfügung, sondern klingen auch so, wie der Fachmann und der spezialisierte Hörer es erwarten.“ 2022 kamen noch zwei neue Klangfarben hinzu: als 70. Orgelregister die wie ein zartes Glockenspiel klingende Celesta und ein den Prospekt bildlich vervollständigender Zimbelstern in Form einer kleinen Sonne. Auch die Technik ist auf dem neuesten Stand: mit dem so genannten Setzer können über einen Touchscreen u.a. Loops eingespielt, 100.000 Registrierungen gespeichert und zusätzliche Registermischungen kreiert werden.

Zeitgenössische Bildhauerei

Die Faszination der großen Klais-Orgel erschließt sich nicht nur akustisch – auch optisch ist sie einen zweiten und dritten Blick wert. Gestaltet von dem aus Hennef an der Sieg stammenden Bildhauer Manfred Saul (1934-2013), zeigt das mit hölzernen Skulpturen geschmückte Gehäuse der Orgel – der so genannte Orgelprospekt – nicht nur biblische Begebenheiten: festgehalten sind auch aktuelle Ereignisse der Entstehungszeit, beispielsweise die erste erfolgreiche Transplantation eines menschlichen Herzens oder Astronauten im All. Saul interpretierte die Orgelanlage von ihrer Pfeifenarchitektur als ein großes Segelschiff, das er zusätzlich mit Darstellungen aus dem Alltags- und Berufsleben füllte. Natürlich spielt auch die Arche Noah eine Rolle. Markant ist aber die Einbeziehung der vier Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft, die als Rahmenhandlung seine Bildsprache vervollständigen. Unter Kunsthistorikern ist die große Münster-Orgel nicht zuletzt deshalb weit über Bonn hinaus bekannt.